Das gute Leben

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Das gute Leben

Man stelle sich einen Ort vor, wo es keinerlei Sinn machen würde, das Rad immer wieder neu zu erfinden und dafür Unmengen an Energie aufzuwenden, um dann himmelhohe Türme zu bauen, riesige Reiche zu errichten, Atome zu spalten oder neue Planeten zu erobern – während die gesamte Bevölkerung die teure Zeche für derlei größenwahnsinnigen Unfug einiger Weniger mit einem harten Alltag zahlen muss. Man stelle sich einen Ort vor, wo es überhaupt gar keinen Sinn macht, mehr anzuhäufen als für einen Wintervorrat nötig ist, weil es auch im Jahr darauf reichlich zu Essen geben wird. Denn dieser Ort wird weder Raubritter anziehen noch die moderne Version dessen, Steuereintreiber, schon aus dem einfachen Grunde, weil nicht genug angehäuft wird, um es für menschliche Parasiten attraktiv zu machen. Selbst für Ratten und Mäuse wird es uninteressant sein, wenn man es richtig anstellt. Man stelle sich einen Ort vor, wo niemand mehr das Bedürfnis hat, sich zu betäuben durch Anhäufung von Gütern, Geld, Macht, Arbeit, oder Drogen, wozu in neuerer Zeit besonders die Volksdroge Nr.1 gehört, das Internet und dessen Cyberwelt. Die Cyberwelt ist als ein Ausdruck zu werten für die Suche nach einer spannnederen und erfüllenderen Welt als die eines öden modernen Alltags.

Eine Vision zu erschaffen, die o.g. Sehnsucht nach individueller Freiheit einbetten kann in kollektive Geborgenheit, also eine Vision, für die es sich wirklich lohnt zu engagieren – das ist die Aufgabe dieses Projekts. Was könnte es denn wohl auch viel Besseres geben als in einer authentischen Gemeinschaft einen völlig selbstbestimmten Alltag leben, einschließlich erfüllender Tätigkeiten im Einklang mit der Natur, dazu an einem beschaulichen und gleichzeitig abwechslungsreichen Ort mit vielen Möglichkeiten des Begegnens und Auswechselns, des Sich-selbst-Erlebens und Sich-Entwickelns? Würde das nicht schon fast den Begriff „das gute Leben“ übersteigen, und müsste vielleicht schon “das bessere Leben” genannt werden? 

The myth of a lost paradise – has there ever been a real existing one?

Die spannendste Frage bei diesem Projekt ist zweifellos, was wohl passieren wird, wenn die Menschen diese Lebensweise eine Zeit lang ausprobiert und gelebt haben. Werden sie in die altbekannte moderne Welt zurückkehren wollen? Oder werden sie lieber in diesem Modell einer neuen alten Welt bleiben wollen, weil sie gesünder, glücklicher und kreativer geworden sind? Wenn ja, wie schnell wird dies geschehen? Tage, Wochen, Monate, Jahre? Werden die Teilnehmer mehr Kinder bekommen? Oder wird das Gegenteil von all dem geschehen? Wenn ja, warum? Womit sind die Teilnehmer zufrieden, womit nicht? Was kann im vorgegebenen Rahmen daran geändert werden? Oder kann ein Mensch vielleicht niemals richtig zufrieden sein? Ist das Gras auf der anderen Seite des Zauns immer grüner? Sind Neid, Habgier und Eifersucht angeborene Eigenschaften, die so unmöglich abzulegen sind so wie Notdurft? Ist es vielleicht auch nur ein Narrativ der Soziologie, wonach eine gute Umgebung auch gute Menschen erzeugt? Oder hat die Menschheit vielleicht noch nicht genug gelitten? Soll ein ans Kreuz genagelter Mann die Schmerzhaftigkeit des irdischen Lebens symbolisieren, bis dass der physische Tod den sündhaften Menschen endlich befreit und ins göttliche Paradies befördert? Ist das die Botschaft des biblischen Narrativs, das anschließend Wirklichkeit geworden ist und nun bis zum Ende aller irdischen Tage gelten soll? Ist ewiger Friede nur für diejenigen, die in den Himmel aufgestiegen sind? (außer natürlich für die wenigen schon zu Lebzeiten Erleuchteten hier auf Erden;-)     

Die Schaffung eines der Natur des Menschen angepassten Alltags, des einfachen und ‘guten Lebens’, mit pragmatischen Lösungen zur Beseitigung des Ungleichgewichts zwischen den eingangs erwähnten dualistischen Polen – das ist die Aufgabe dieses Projekts. Wenn sich die Hypothese über die Faktoren, die für das menschliche Wohlbefinden hier als unabdingbar angenommen werden (s.u. Ring of Needs) in diesem Experiment bestätigen wird, könnte dieses Gesellschaftsmodell in einer Nussschale tatsächlich zu einem Vorschlag für eine neue alte Welt werden, die nicht in allzu ferner Zukunft liegen muss. Wenn erst einmal eine ausreichend große Sehnsucht geweckt ist, wird diese Sehnsucht sich ihren Weg bahnen. Das lehrt uns die Geschichte. Ist das Ergebnis das Gegenteil des in der Hypothese Erwarteten, ist die richtige ‘Formel’ eben noch nicht gefunden. Oder aber es bestätigt die These der alten Kultur, die besagt, dass das Leben ein harter Kampf sein soll. “Arbeiten sollst Du im Schweiße Deines Angesichts ….” Dann ist die Menschheit eben noch nicht reif genug ist für ein “real existierendes Paradies auf Erden”. Auf alle Fälle aber könnten die Erfahrungen und ausgewerteten Beobachtungen der Forschung zu Thema ‘Determinants for Human Well-being’ zukünftig sehr nützlich sein. Denn seit Menschengedenken schon beschäftigt im Prinzip nichts die Philosophen mehr als die Frage, was denn die am besten geeignete Lebensführung für den Menschen sein könnte.

“The Good Life” – good for us at all

Dann gibt es vielleicht auch noch die große Frage zu beantworten, ob so ein ‘gutes Leben’ überhaupt gut ist für uns Menschen, und ob wir nicht nur durch das Leiden zu besseren Menschen werden, so wie es z.B. diese auf ein Holzkreuz genagelte Figur symbolisiert. Ähnlich leidvoll ist die Theorie vom unseligen Rad des Karmas. Würden wir wohl verkommen zu dekadenten Faulenzern und Nichtsnutzen bei einem Leben im materiell gesättigten Alltag, so wie in dem mittelalterlichen Märchen über das Schlaraffenland? Und würde soziale Gleichheit und freie Sexualität so wie in der irischen Version, dem Land namens Cockayne, zu völliger Verderbnis führen, zu reinem Sodom und Gomorrha? Allein um diese Frage endlich zu klären, wäre es schon so ein Experiment wert.        

The land of milk and honey – the hell of paradise?