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Quellen der Inspiration
Die Højskole-Bewegung
“Was im Außen verloren ist, muss im Innen gewonnen werden”
So lautete einst eine offizielle Devise Mitte des 19. Jahrhunderts, als das sog. Guldalder, das goldene Zeitalter des heute so unbedeutend erscheinenden Landes Dänemark, eingeläutet wurde. Kunst und Kultur erblühten in nie dagewesenen Maß dank der neuen Orientierung des Königshauses, das inzwischen alle Großmachtträume ausgeträumt hatte angesichts der verheerenden militärischen Niederlagen und Schrumpfung des einstigen Großreiches auf das kleine Kernland. Damit kam auch und besonders das gemeine Volk vom Lande nun in den Genuss einer neuen Bildungseinrichtung, genauso wie es vorgesehen war von dem Pastor und Gründer der Højskole-Bewegung, N.F.S. Grundtvig. Ironischerweise stammt obige Devise von einem dänischen Ingenieur, der nach den großen Landverlusten im Krieg gegen Preußen in Jahr 1864 damit eigentlich staatliche Mittel loseisen wollte für die Trockenlegung von Moorgebieten zwecks Landgewinnung im Innern des Kernlandes. “Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse”. Aber es muss deswegen nicht immer übel enden;-). Jüngste Studien, darunter der World Happiness Report, wurden natürlich auch berücksichtigt bei Erstellung dieses Entwurfes zu einem Experiment. In der westlichen Hemisphäre stehen vor allem die skandinavischen Länder bei diesem Report oft auf den ersten Plätzen, insbesondere Dänemark, das sich demnach durch eine besonders “glückliche” Bevölkerung auszeichnet. Die wesentlichsten Faktoren, die dazu geführt haben, sind mit eingeflossen in diesen Entwurf. Die Untersuchung dieser Faktoren ging weit über die eher oberflächlichen Betrachtungen der gängigen Studien hinaus, die sich meist nur mit der sozialen und materiellen Sicherheit beschäftigen, aber z. B. oft die Wichtigkeit der Kulturidentität übersehen, die im Falle von Dänemark eine große Rolle spielt und den Faktor des Geborgenheitsgefühls nicht unwesentlich erhöht. Daran hat vor allem eine in der Welt einzigartige Bildungseinrichtung mitgewirkt, die aus der o.g. Højskole-Bewegung entstanden ist.
Die politische und wirtschaftliche Stabilität dieses Landes, dessen relativ verantwortungsbewusste Regierungen das Volk seit über 150 Jahren an alle europäischen Katastrophen geschickt vorbei manövriert haben, sind ohne Zweifel ein Resultat dieser im ganzen Land verbreiteten Bildungseinrichtung. Die Verbreitung dieses von Anfang an staatlich finanzierten Schulkonzeptes hatte seinerzeit eine neue Art von nationalem Zusammengehörigkeitsgefühl begründet, wo es aber nicht mehr darum ging, das Nachbarland militärisch oder wirtschaftlich zu übertrumpfen. Das war nun ja sowieso nicht mehr möglich. Jetzt ging es darum, sich selbst und die Welt besser kennen zu lernen, indem man nicht-akademische Fächer wie Philosophie, Geschichte, Handwerk, Kunst und Musik unterrichtete, und daraus vielleicht das eine oder andere Schnäppchen zu schlagen. Der Handel lag ja schon den Wikingern im Blut, viel mehr als das Kriegführen, für das sie so bekannt wurden. Dieses neue Schulkonzept kam vor allem armen Leuten auf dem Lande zugute. Unterricht, Unterkunft und Verpflegung für jeden Schüler wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren vom Staat bezahlt. Während dieser Zeit im Internat wurden viele junge Menschen zu Freunden fürs Leben, während junge Menschen anderer Nationen derartig intensive Nähe zu dieser Zeit meist nur auf Schlachtfeldern und in Schützengräben erleben durften, oder in Lazaretten und Versehrtenheimen. Diese Art von Schule wurde vor rund 180 Jahren von diesem beherzten Pastor und seinen Mitstreitern gegründet in einer Zeit, wo das einstige Großreich von England und Preußen in die Knie gezwungen worden war. Ansonsten hätte dieses damals unerhört revolutionäre Konzept wohl auch keine Chance gehabt, ähnlich wie es wohl die Märchen von H. C. Andersen niemals geschafft hätten die Welt zu erobern ohne die damalige Unterstützung aus royalen Kreisen, wo auf einmal auch Kunst und Kultur aus den niederen Schichten des Volkes als wertvoll betrachtet wurden. Auch war es die Zeit des Philosophen Søren Kierkegaard, der übrigend auf den vorgenannten „Märchenonkel der Nation” keine großen Stücke hielt. Weltbekannte Architekten und Designer wie z. B. Arne Jakobsen, der den Modernismus auf seine ganz eigene und typisch dänische Weise in die Welt gebracht hat, sind indirekt ein Produkt dieser Højskole-Kultur. Jakobsens Dogma über das Zusammenspiel von Form und Funktion hat gewiss auch auf die Bauentwürfe dieses Projektes etwas abgefärbt.
Dass das Højskole-Konzept zum großen Teil vor gut 20 Jahren dem „entgeisterten“ Zeitgeist zum Opfer gefallen ist, ist eine traurige, um nicht zu sagen, tragische Geschichte. Diese Entwicklung scheint deutlich in Zusammenhang zu stehen mit der frühen Etablierung des Mobilfunknetzes und dem hohen Grad der Digitalisierung des Landes, das den Nachbarländern immer einige Jahre voraus ist. Diese Technologien fielen bei den vorwiegenden wissenschafts- und staatsgläubigen Dänen auf fruchtbaren Boden – mit verheerenden Folgen für die Volksmentalität.
Fristaden Christiania
Ohne Zweifel ist auch das in der Welt einzigartige soziale Experiment des Fristaden Christiania ein Resultat des einstigen Freigeistes und des nationalen Gemeinschaftsgefühls, was durch o.g. Schulen über 150 Jahre lang verbreitet worden ist. Im Jahre 1971 wurde ein ehemaliges Kasernengelände von Hippies und anderen “Outsidern” der normalen Gesellschaft besetzt. Provokanter Weise liegt das damals vom Militär geräumte Gelände nur einige hundert Meter Luftlinie entfernt vom politischen Machtzentrum, der Christiansborg, mitten im Zentrum Kopenhagens und seit fast tausend Jahren Sitz von Fürsten und Königen, und heute der des dänischen Parlaments. Wegen der großen Sympathie in der Bevölkerung für die Besetzer, aber besonders aufgrund des damaligen Zeitgeistes inspiriert von der Flower-Power Bewegung, die in diesem Land auf besonders fruchtbaren Boden fiel, erhielt Fristaden Christiania von politscher Seite aus schon bald den Status als ein soziales Experiment mit der Genehmigung, sich selbst verwalten zu dürfen.
Der schon allein aufgrund seiner teils sehr ausgefallenen Architektur exotisch anmutende Ort ist nicht nur wegen seines lange offiziell tolerierten Haschischmarktes der inzwischen größte touristische Publikumsmagnet von “Wonderful Copenhagen” geworden, mit mehreren Millionen von Besuchern pro Jahr. Vielmehr ist es die Gesamtatmosphäre, die die Faszination ausmacht, herbeigeführt durch die andersartige Lebensweise seiner knapp tausend Bewohner. Künstler aus aller Welt sowie viele “schiefe Existenzen” haben hier ihren Platz gefunden. Spielende oder auf Pferden reitende Kinder sowie Jugendliche an den verschiedenen Hang-Outs prägen das Stadtbild genauso herumstreunende Hunde und kreuzende Lastenfahrräder, vermengt mit neugierig über die Straßen und Pfade schlendernden Touristen aus aller Welt. Einige von Kopenhagens populärsten Bars, Cafés, Restaurants und Spielstätten befinden sich hier auf diesem nur 0,34 Quadratkilometer großen und doch unüberschaubar wirkenden Gelände. Eine der wenigen internen Regeln dort besagt, dass der Besitz von harten Drogen und die Anwendung von Gewalt zum sofortigen Verbot des Zugangs zu diesem Gelände auf Lebenszeit führt, was großen Problemen im Anfangsstadium dieses Experiments ein Ende bereitet und Freetown Christiania zu einem sicheren Ort gemacht hat. Auch viele Kopenhagener zieht es tagtäglich dorthin, und sei es nur für die alltägliche Hundelufter-Runde. Von Selbstversorgung kann hier allerdings keine Rede sein. Dieser Ort hängt am Tropf der Metropole Kopenhagen und kann auch aus anderen Gründen unter den gegebenen Umständen leider nicht das erfüllen, was hier ‘das gute Leben’ genannt wird.
Økosamfund Dyssekilde
Knapp 20 Jahre nach Beginn des spektakulären sozialen Experiments Fristaden Christiania, begann 60 Kilometer nördlich davon das Ökodorf Dyssekilde auf einem vorherigen Kartoffelacker zu sprießen. Dieser Ort ist dem gleichen dänischen Freigeist von damals entsprungen. Jedoch war er nicht wie Fristaden Christiana quasi über Nacht und aus einer spontanen Aktion heraus entstanden, sondern hatte viele Jahre der Vorbereitung in Anspruch genommen – was viele Kräfte und so einige ausgebrannte ‘Feuerseelen’ gekostet hatte. Doch man hatte zumindest aus den gröbsten Fehlern der Pioniere gelernt, um chaotische Zustände wie aus den Anfangsjahren von Fristaden Christiania zu vermeiden. Trotzdem schlug es vor dem ersten Spatenstich noch einige hohe Wellen aus Angst vor einem Ort mit Ausgeflippten mit Drogen und Gewalt, wie man es mit Fristaden Christiania verband. Es gründete sich sogar eine Bürgerinitiativeaus Angst um die örtlichen Kinder und Jugendlichen, und natürlich um den Wertverlust der umliegenden Immobilien. Inzwischen ist dieser Ort zum Aushängeschild der Gegend geworden und wurde im Jahre 2019 sogar zum Dorf des Jahres in Dänemark gewählt, wobei besonders auf kinder- und jugendfreundliche Einrichtungen und die Belebung der dörflichen Strukturen als wichtige Kriterien wert gelegt wird. Der sog. Km-Markt mit seinem selbstgewählten Dogma über lokale Waren nur aus einem bestimmten Km-Radius wurde aus dem Stand heraus zu einem großen Erfolg.
Als Mitglied der International Organization of Booktowns mit einem Antiquariat in dem eigens dazu renovierten Bahnhofsgebäude, einer architektonischen Perle aus der Jugendstilzeit, sowie kleinen Buchverkaufsständen verteilt im Ort und literarischen Veranstaltungen, zieht der Ort Torup nun auch Bibliophile und Literaturbegeisterte an. Im nahegelegenen Hundested wurde im Jahr 2016 eine neue Kaimauer angelegt für Kreuzfahrtschiffe, von denen in den letzten Jahren vor Corona über 400 Anlandungen in dänischen Häfen registriert wurden. Dann tauchten da plötzlich Tausende von Amerikanern, Japanern oder Chinesen auf für einige Stunden, oft mit großen Augen und offenen Mündern angesichts der dortigen “schrägen“ Gebäude, bevor es dann weiter ging mit dem Bus zum nahegelegenen Sommerschloss der dänischen Königin. Übrigens liegen die Immobilienpreise des Öko-Ortes inzwischen auf doppelt so hohem Niveau wie die des sonst regional üblichen. Das hat gleichzeitig den leidlichen Effekt, dass Neuzugezogene sich in das Hamsterrad des modernen Alltags begeben müssen, um in die Vorzüge dieses Ortes und seiner Peripherie zu erhalten. Das war ganz und gar nicht im Sinne des Erfinders. Doch nun lässt sich das Rad nicht mehr zurückdrehen, leider. Es fehlen aber auch noch einige andere elementare Zutaten für das Hauptgericht, das hier immer wieder ‘das gute Leben’ genannt wird.
Archæologisk Forsøgscenter Lejre
Es ist kein Zufall, dass so etwas die experimentelle Archäologie gerade in diesem einst so freigeistigen Land ihre ersten Schritte unternahm, schon im vorletzten Jahrhundert, wo dies als revolutionär betrachtet wurde. An einem sehr geschichtsträchtigen Ort, wo einst Wikingerkönige ihren Sitz hatten und das bis heute existierende dänische Königreich seine Wurzeln hat, befindet sich mit dem archäologischen Versuchszentrum Lejre eines der herausragendsten Vorhaben dieser wissenschaftlichen Sparte. Es hat sehr wertvolle Inspiration zu diesem Projekt geliefert. Von dort stammt die Idee des bewusst gewählten Zeitsprungs, die fast alle Probleme basierend auf für Mensch und Natur schädlicher Technologie – inzwischen ein Giga-Problem – kurzerhand mit einem Schlage löst, so wie der Schwerthieb Alexanders des Großen es tat mit dem Gordischen Knoten. Entscheidend waren die Schilderungen persönlicher Erfahrungen von Teilnehmern aller Alters- und Herkunftsgruppen, die diese relativ primitive Lebensweise nach ein paar Tagen der Eingewöhnung durchweg als erleichternd, entspannend und bereichernd empfanden. Vor allem der Fokus auf die basalen Dinge des Alltags wie Essen oder Feuerholz machen, der Kontakt zu Nutztieren wie Hühnern, Schweinen, Ziegen und kreative Tätigkeiten wie das Weben von Textilien oder das Reparieren von Dächern wurden genannt. Erstaunlicherweise wurden sog. Annehmlichkeiten des modernen Lebens so gut wie gar nicht vermisst, auch wenn ansonsten ein Leben ohne Telefone und sonstigen Apparaten kaum noch vorzustellen ist. Doch nicht einmal Staubsauger oder Haartrockner wurden vermisst ;-). Eine besondere Rolle spielte die Aufmerksamkeit durch die vielen touristischen Besucher und deren großes Interesse, was bei vielen Teilnehmern geradezu pädagogische Fähigkeiten hervorzauberte. Der tägliche Besucherstrom wurde nicht als störendes Eindringen in die Privatsphäre betrachtet, sondern als bereichernd und geradezu sinnstiftend empfunden. Außerdem trug es noch bei zum Entstehen eines Zusammengehörigkeitsgefühls bei (Stichwort: Kulturidentität), das zusätzlich verstärkt wurde durch die “Stammeskleidung”, wo zwar jedes Stück individuell gefertigt und verschieden gefärbt war, aber insgesamt doch im Designstil mit den anderen Stücken zusammenpasste, so dass eine optische Harmonie entstand. Mit der Verwendung von Naturfarben hob sich diese Kleidung von den in der Regel synthetischen “toten” Farben in der Bekleidung der Besucher aus der normalen Welt am allermeisten ab. Der große Unterschied zwischen natürlichen und synthetischen Farben wurde für jeden sichtbar, und selbst manchen Teenager erfüllte es nach anfänglicher Unsicherheit mit Stolz, sich mit dieser ‘Stammeskleidung’ von den vielen Besuchern abzuheben.
Ach und ganz besonders die Idee des Elves´n Trolls patrols stammt aus diesem Versuchszentrum, wo bestimmt gekleidete Mitarbeiter ständig für die experimentellen Teilnehmer mit Rat und Tat zur Verfügung stehen, um den plötzlichen Zeitsprung von 2.000 Jahren zurück in die Eisenzeit nicht allzu hart und damit auch für die experimentelle archäologische Forschung unbrauchbar werden zu lassen. Denn natürlich waren die Menschen der Eisenzeit viel geübter in all den Dingen des damaligen täglichen Lebens als ein zivilisierter Mensch es je sein könnte, vor allem nicht von einem Tag auf den anderen. Auch, dass Wissenschaftler hier keine Berührungsangst vor der “völkischen” altnordischen Mythologie haben und sich diese zwecks pädagogischer Vermittlung bedienen, könnte man wieder als typisch dänisch bezeichnen. Dieses Konzeot vermittelt den Besuchern einen lebendigen Eindruck dieser menschheitsgeschichtlich wichtigen Epoche, in der erste kleine Schritte in Richtung einer Industrialisierung unternommen wurden mit der intensiven Verarbeitung von Eisen – einhergehend mit steigendem Wohlstand und Komfort für die herrschende Schicht der Bevölkerung auf der einen Seite, und mit höherem Arbeitseinsatz und Armut für die unteren Schichten. Lt. Archäologie bestand ein markanter Unterschied zum vorhergegangenen, weniger ‘industtrialisierten’ Bronzezeitalter, wo anhand von Funden kunstfertig ausgeführter Kleidung und Gegenständen des täglichen Gebrauchs ein erhöhter Wohnstand der Bevölkerung angenommen wird. Auch die Kriege mit verfeindeten Stämmen wurden in der Eisenzeit aufgrund der neuen ‘Massenproduktion’ von metallischen Waffentechnologien zunehmend verheerender. Trotzdem war es noch ein sehr beschauliches Leben verglichen mit dem heutigen modernen Alltag, und für einen kreativen und dynamischen Freigeist ganz sicher allzu beschaulich. Doch auch noch einige andere Komponenten fehlten hier für ‘das gute Leben’.
Kulturen in Ozeanien
“Eine giftige Spur aus Blut, Schrott und Tränen zieht sich durch die Geschichte der Zivilisation, während eine Kultur, die in der Menschheitsgeschichte ein wohl bisher ungekanntes Maß an Glückseligkeit erfahren hat, als rückständig bezeichnet wird wegen eines technologischen Standards auf Steinzeitniveau“ (aus der „Der Mythos der Südsee“, Hans Ritz)
Die Rede ist hier von Kulturen wie z.B. den Maori in der einem Teil Ozeaniens, den man Polynesien nennt. Sie haben nicht unwesentlich auf die Konzeption dieses Projektes abgefärbt. Vor rund 250 Jahren haben Geschichten über wahre Begebenheiten wie z.B. der Meuterei auf der Bounty den Mythos vom “real existierenden Paradies auf Erden” die Fantasien nicht nur die Fantasie von Seefahrern und Abenteurern beflügelt, sondern auch die von Dichtern und Denkern wie Rousseau oder Goethe. Neben der generell sorglosen Lebensart hat wohl besonders die berüchtigte sexuelle Freizügigkeit auf diesen Inseln die größte Aufmerksamkeit erregt in der bornierten und zugeschnürten Bourgeoisie von damals. Ein überliefertes Sprichwort lautet “Wahre Liebe geht durch den Unterleib” – und nicht durch den durch den Magen, wie es ein Sprichwort zumindest in einem der großen europäischen Länder besagt (weshalb vielleicht nicht ganz zufällig deshalb auch dort viele Übergewichtige anzutreffen sind;-). Auf die köstliche und üppige Cuisine der Südseeinsulaner scheint es aber keine schlechte Auswirkung zu haben.
Vor gut 130 Jahren folgte dann der Versuch des Malers Paul Gauguin, das ‘real existierenden Paradieses’ – damals schon in seinen letzten Zügen liegend – noch auf Leinwand zu bannen, bevor es ganz verschwinden würde und nur der Mythos übrigblieb. Man muss wohl sagen, dass ihm seine Mission gelungen ist, auch wenn er selbst von seinem Ruhm nichts mehr mitbekommen hat. Was nun vorwiegend dank traditionalistischer Museumsaktivitäten überlebt hat, und heute immer noch um die Welt geht in Form von öffentlichen Vorstellungen, sind die gefühls- und ausdrucksstarken Gesänge und Tänze der Maori, wobei der Hula-Tanz durch die Amerikanisierung Hawaiis und Hollywood wohl der bekannteste Tanz geworden ist Doch die beindruckenden Kriegstänze der einst gefürchteten Maori-Krieger hinterlassen in der Regel auch bleibenden Eindruck. Um ihr ‘real existierendes Paradies’ gegen die weißen Eindringlinge zu verteidigen, dafür reichte deren Kampfkraft allerdings nicht aus.
Dagegen hat die weibliche Klugheit dieser Völker seinerzeit sehr schnell die Situation erkannt, und es zu einer sehr friedlichen Kolonisierung werden lassen verglichen mit andernorts auf der Welt, wo eine Spur aus Blut, Schweiß und Tränen gezogen wurde. Dadurch ist es dort gelungen, große Teile der ursprünglichen Kultur und ihrer Traditionen hinüberzuretten in die neue Zeit mit den neuen Glaubensrichtungen der weißen Oberschicht. Es zeugt von großer Klugheit, nicht änderbare Umstände sich so gut es geht nutzbar zu machen.
Ein anderes, wundervolles Beispiel für diese Art von Klugheit ist die Haltung zur Homosexualität, in vielen, wenn den nicht meisten Kulturen unterdrückt oder zumindest an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde. In der Kultur der Maori wurde sie vor Ankunft der Europäer als ein reiches Geschenk der Natur betrachtet. Eine Familie wurde beglückwünscht zu einem Mahu, was in einigen Kulturen die tradtionellen Bezeichnung für Homosexuelle ist. In der Regel zeigt sich diese Veranlagung ja schon im frühen Kindesalter, wenn z.B. ein Junge lieber mit Puppen spielt als mit Kriegerfiguren. Während man die Neigungen in anderen Kulturen zu unterdrücken oder umzupolen versucht, förderte man dort dann geradezu solche Tendenzen. Auf abgelegenen und nicht allzu streng christlich überwachten Inseln hat diese Tradition bis in die moderne Zeit überlebt. Diese Mahu-Tradition hatte bei diesen Kulturen keine moralischen Hintergründe, sondern eher nüchtern pragmatische, wie es scheint. Man war sich vieleicht auch bewusst darüber, dass es einer Gemeinschaft nur gut gehen kann, wenn es allen Mitgleidern gut geht. Nicht umsonst hatte diese Kultur den Ruf des „real existierenden“ Paradieses auf Erden. Die Mahus gründeten in der Regel keine eigenen Familien, aber verrichteten stattdessen feminine Aufgaben und blieben daher oft eine Stütze für die Mütter bei der Hausarbeit. Vielleicht könnte man es auf europäische Verhältnisse in etwa vergleichen mit den Jungfern bzw. Junggesellen, die unverheiratet geblieben waren und dann auf den Bauernhöfen eine große Stütze darstellten im Haushalt bzw. bei der Hofarbeit. Noch heute nennt in man gutbürgerlichen Kreisen mancherorts eine zuverlässige Haushaltshilfe eine ‘Perle’, weil sie eben relativ selten sind und allein daher schon als wertvoll betrachtet werden.
Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Kulturen besteht darin, dass in der ersteren die Betroffenen ein hohes Ansehen und ein reiches Liebesleben genießen konnten, während sie in der letzteren ein oft kümmerliches Dasein fristen mussten. Im besten Fall erntete man ein mitleidiges Lächeln, weil man niemand „abbekommen“ hatte. Allein deshalb konnte man ja schon nicht so viel wert sein. Außerdem musste man ein Dasein ohne jegliches Liebesleben fristen. Wer es wagte, gegen das Verbot außerehelicher Beziehungen zu verstoßen, oder gar als homosexuell entlarvt wurde, wurde der Unzucht bezichtigt und war damit zugleich ein für immer gebrandmarktes Mitglied der Gesellschaft. Dementgegen machte man sich in der Maori-Kultur einfach eine Laune der Natur zunutze, die lt. einigen ethnologischen Untersuchungen bei den meisten Kulturen dieses Planeten bei durchschnittlich 10 % der Bevölkerung liegt.
Außer von vorgenannten Kulturpessimisten wird die letztgenannte, die westeuropäische Kultur gemeinhin immer noch als Hochkultur bezeichnet, während die erstgenannte, die traditionelle Maori-Kultur als rückständig und primitiv, zumindest aber als unterentwickelt bezeichnet wird und sich nur dank einiger NGO’s sich noch einiger musealer Beachtung erfreuen darf. Man muss sich schon fast fragen, warum derartige Kulturen von den Experten dieses Fachgebiets nicht als Nieder- oder Tiefkulturen bezeichnet werden. Glücklicherweise haben einige Europäer kurz nach ihrer Ankunft diese Arroganz seinerzeit in Polynesien abgelegt und sind von dieser lebensfreundlichen Kultur sozusagen von innen heraus aufgeweicht und ‘umgepolt’ worden. Allerdings hat man wahrscheinlich auch früh erkannt, dass sich allzu fröhliche Menschen einfach nicht als Sklaven eignen. Sogar die Gutmenschen der NGO’s halten sich hier etwas zurück damit, der Bevölkerung immer wieder deren angebliche Rückständigkeit vor die Nase zu halten, um sie dann via Ausbildung und Schule in die ach so glorreiche Arbeitswelt der modernen Zvilisation zu locken.
„Wenn Arbeit etwas Gutes wäre, hätten die Reichen es nicht den Armen überlassen“ (tahitianisches Sprichwort)
Hunger und Armut sind zwar immer noch Fremdworte in Polynesien. Aber auch hier kämpft man nun mit den typischen Zivilisationskrankheiten und der Abwanderung der kreativen und dynamischen Kräfte in die Metropolen der Welt, die einen jeden Ort schnell langweilig und trostlos werden lassen. Es gibt also auch reichlich Schlangen im ehemaligen Paradies, so dass man hier nicht unbedingt von dem ‘guten Leben’ reden kann, um das es in diesem Projekt gehen soll.
Die Kultur der Mosuo
“Hat man einen Arbeitsschuh an dem einen Fuß und einen Tanzschuh an dem anderen, so wird man weder gut im Arbeiten noch im Tanzen”.
Dieses Sprichwort der Mosuos zeigt vielleicht am besten die traditionelle Haltung zum Thema Geschlechtertrennung dort, wo es Sinn macht. Dass es in dem Vokabular der Mosuo-Sprache nicht einmal Worte gibt für Armut, Hungersnot, Krieg, Waisenkind oder Vereinsamung, begründen einige Ethnologen mit der sog. matrilinearen Gesellschaftsstruktur und deren einzigartige Lösung des Geschlechterkonflikts durch die Tradition der Besuchsehe, auch Walking Marriage genannt. Wie lange diese Tradition schon existiert, weiß man nicht, doch midnestens schon so lange wie die Herdfeuer in den jahrhundertealten, soliden Land- und Stadthäusern brennen. Diese Feuer dürfen niemals ausgehen und quasi 24/7 das ganze Jahr über in Gang gehalten werden. So verlangt es die Tradition, und könnte vielleicht als ein symbolisches Zeichen für Wohlstand gesehen werden, vielleicht ähnlich wie die Tradition des Rituals der Initiation. Dort legen die pubertierenden Kandidaten ihre Kinderkleider ab und sind das letzte Mal für die anwesende Gemeinschaft nackt zu sehen, bevor sie mit ihren von Nachbarn und Freunden mit kunstfertig geschneiderten Erwachsenenkleidern bekleidet werden. Bis dahin haben Jungen und Mädchen ähnliche Bekleidung. Das wird sich von diesem Tag an ändern. Dabei stehen die ‘Konfirmanden’ symbolisch auf einem langzeitkonservierten Schwein, das durchaus schon vor 10 Jahren geschlachtet worden sein kann. Wer herausgefunden hat, wie man Schweinefleisch durch Lufttrocknung auf 10 Jahre haltbar macht, ohne dafür gleich eine Konservendosen- oder Chemiefabrik errichten zu müssen, für den sind Armut und Hungersnot natürlich, wie anfangs erwähnt, absolute Fremdworte.
Die erste schriftliche Erwähnung dieses ansonsten abseits aller Handelsrouten lebenden Volkes ohne eigene Schriftsprache und deshalb auch ohne eigene historische Dokumentation, findet sich in einem Bericht des Heerführers Dschingis Kahn. Bei einem längeren Aufenthalt von dessen Truppen vor ca. 900 Jahren fanden wohl besonders die fast allabendlichen traditionellen Tanzveranstaltungen bei den hunnischen Soldaten großen Anklang. Leicht mongolische Gesichtszüge sind bei den ansonsten wegen ihrer Abgelegenheit genetisch wenig vermischten Mosuos heute immer noch deutlich zu erkennen.
Diese besondere Tradition der Besuchsehe hatte vor einigen Jahrzehnten die Aufmerksamkeit einiger Ethnologen geweckt. In dieser Tradition können erotische und romantische Beziehungen nicht mit der allseits notwendigen Stabilität und Geborgenheit des Familienlebens kollidieren. Was sonst ein beständiger und ganz entscheidender Störfaktor in fast allen anderen Kulturen ist, wurde hier schlicht und einfach gelöst durch eine strikte Trennung dieser beiden Lebensbereiche, d.h. man teilt als Liebespaar niemals den gleichen Haushalt. Noch mehr als die traditionelle Maori-Kultur mit ihrer lebensfreudigen und sexuell recht freizügigen Art, die aber doch noch die Zweier-Ehe als das vorherrschende Familienmodell hatte, bringt die Mosuo-Kultur durch diese Tradition der Besuchsehe beständige Erotik und Sexualität als in das Alltagsleben, auch für Elternteile von Kinderfamilien. Man könnte bei diesem Modell schon fast sprechen von einer Liebeserklärung sowohl an die Geborgenheit der Familie als auch an die romantische und/oder erotische Leidenschaft. Ebenso hat man die Natur des menschlichen Wesens berücksichtigt was die Aufgabenverteilung im Alltag angeht. Die Frauen erledigen in der Regel die vielseitigen Aufgaben in Haus-, Garten- und Feld, wo man gleichzeigig die Kleinkinder im Blick haben kann, während Männer zu körperlichen schweren und handwerklichen Arbeiten herangezogen werden. Auch etwas gefährlichere Aufgaben gehören dazu, u.a. Handelskarawanen in weiter entfernte Gegenden bis hin nach Nepal, um dann von dort mit nützlichen Waren und Werkzeugen zurückzukehren. Verhandlungen bei Erwerb von Nutztieren oder von Wasserrechten mit Nachbargemeinden überlässt man lieber dem Mannsvolk. Allerdings geschieht dies immer in der Gewissheit, dass man dort dann auch im Sinne der Gemeinschaften gehandelt wird – von den älteren Frauen gelenkt wird. Doch dass auch in diesem Gesellschaftsmodell anscheinend noch einige Elemente fehlen zum „guten Leben“, wird indiziert von der großen Abwanderung der Jungen in die moderne Zivilisation, was eine vormals lebendige Kultur schnell veröden lässt.
Über die zweifelos gemachten Landgewinne der Moderne im Bereich der Individuation wurde schon vorher hier eingegangen. Zur Individuation dazu gehört natürlich auch die Befreiung der Sexualität von den kulturell bedingten moralischen Umklammerungen. Verglichen mit dem viktorianischen Zeitalter hat man da ganz gewiß Fortschritte gemacht, auch wenn es noch weit entfernt davon ist, befreite Sexualität genannt zu werden, es sei denn, man betrachtet die seelenlose Geschäftemacherei der Pornoindustrie als solche. Umsatzmässig ist sie übrigens dabei, die Musikindustrie zu überholen. Doch selbst wenn es in Richtung freiere Sexualität weitergehen sollte, so ist es die Frage, ob dazu der ganze andere Krempel der Zivilisation samt seinen giftigen Nebenwirkungen überhaupt notwendig sind. Bejaht man das, wird es wahrscheinlich am Ende in eine Befreiung der Sexualität á la Brave New World enden. Die Tendenzen sind ja schon deutlich zu erkennen. Andere Kulturen – wenn auch wenige – haben eine freiere Sexualität vorgelebt, seit langem schon. Sicher ist nur, dass das Narrativ der gängigen Lehrmeinung darüber, dass das moderne Zeitalter das materiell gesehen bisher sicherste und komformtabelste aller Zeitalter war, ein reines Ammenmärchen ist. Und das haben uns nun nicht nur die Mosuos vorgemacht, sondern auch eine Reihe anderer indigener Kulturen.
Die Affenart der Bonobos
Last but not least seien hier die Forschungen über die Menschenaffenart der Bonobos erwähnt, die zusammen mit den Schimpansen lt. Aussage der Wissenschaft unsere allernächsten DNA-Verwandten sind. Danach stellt sich die Frage, ob die Menschheit, zumindest aber der zivilisierte Teil dessen, nicht schon allzu lange in der Fußspur des Schimpansen und dem patriarchalischem Alphatier-Prinzip gewandelt ist. Sind wir vielleicht der falschen Fährte gefolgt? Hätten wir uns vielleicht lieber an den entspannteren und eher matriarchalisch anmutenden Herrschaftsstrukturen (eigentlich ‘Frauschaftsstrukturen’;-) der Bonobos orientieren sollen? Wie bei den Mosuos werden die Bonobos nicht von herausragenden Alphatieren gelenkt, sondern von einer eher im Hintergrund agierenden ‘Regierung’ von älteren Weibchen. Dort gibt es weder aggressive und geltungssüchtige Anführer noch Testosteron- oder Östrogenüberschuss, und damit auch keinen permanenten Hierarchiekampf, um an das Napf der Sexualität zu kommen.
Lt. DNA-Abgleich ist die Menschheit in gleichem Maße mit beiden Affenarten verwandt. Doch ist es vielleicht kein rein anatomischer Zufall, dass die Bonobos eine 15° aufrechtere Gangart haben als die Schimpansen? Ein noch größerer anatomischer Unterschied zu den Schimpansen besteht darin, dass sich die Vagina des Bonobo-Weibchens an exakt gleicher Stelle befindet wie die bei einer Frau – was in der Praxis bedeutet, dass bei den Bonobos Geschlechtsverkehr von Ansicht zu Ansicht vor sich gehen kann – im Gegensatz zu den Schimpansen, die sich wie die meisten anderen Tierarten mit dem Doggy-Style zufriedengeben müssen. Der geschlechtliche Verkehr wird bei den Bonobos anscheinend auch fleißiger praktiziert als bei den Schimpansen, wie eifrige Forscher genau registriert haben. Durchschnittlich 13-mal pro Tag treiben es die Bonobos offenbar, auch wenn es oft gar nicht länger als 30 Sekunden dauert und einfach mal so als eine Art Begrüßungsritual dienen kann. Ein Hello-Quickie, sozusagen. Bei den Schimpansen ist diese Art von Vergnügen nur dem Alphatier und seinen jeweiligen auserkorenen Damen vergönnt. Alle anderen, besonders alle anderen männlichen Mitglieder des Rudels, kucken nämlich mehr oder weniger ständig in die Röhre (bzw. den hohlen Stamm;-) – es sei denn, man treibt es heimlich hinter dem Rücken des Chefs, was aber bei Entdeckung durch das Alphatier zu heftiger Dresche führen kann, auch für das fremdgehende Weibchen. Deshalb versucht man sich natürlich ständig nach oben zu kämpfen in der Hierarchie, um eines Tages auch in diesen herrlichen Genuss zu kommen – während die Damen sich ständig herausputzen müssen, um in die Gunst des Alphatieres und damit in den Besitz des begehrten Spermas zu gelangen, um Junge bekommen zu können. Bei den Bonobos dagegen werden die in der Regel männlichen Neuankömmlinge in einem Rudel als willkommene neue Spielkameraden begrüßt, denn Konkurrenzkampf gibt es nicht, weil die Bonobo-Damen sich besonders in Zeiten des Eisprungs gerne gleich von mehreren begatten lassen, wohl um sicher zu sein, die stärkste (und passendste) Gene zu abzubekommen. Die beste Spermatozoide auf dem Weg zur Eizelle wird sich durchsetzen. Das Recht des Stärkeren wird hier auf eine Art umgesetzt, die nicht auf Kosten anderer geht (wenn man mal von den auf der Strecke gebliebenen und wieder ausgeschiedenen Spermatozoiden absieht ;-). Es ist immer reichlich für alle da ist. Und sollte doch mal jemand zu kurz kommen oder einfach mal gestresst sein, kann es passieren, dass sich jemand aus dem Rudel rücklings auf den Boden wirft, um den oder die Betreffende wieder zu beruhigen mit dem, was man heutzutage – aus welchem Grund auch immer – Blow Job nennt. Ein Schimpanse-Männchen dagegen muss sich immer erstmal seinen neuen Platz in der Hierarchie des Rudels hart erkämpfen, auch, oder besonders, um den Beweis für seine Tauglichkeit zu erbringen und damit die Bewunderung der Schimpansen-Weibchen zu erhaschen. Kommt irgendwie bekannt vor? Und vielleicht nicht nur aus dem Biologie-Unterricht?
Auch wenn es verschiedene Auslegungen solcher Forschungsergebnisse gibt, so besteht Einigkeit darin, dass die Bonobos die wesentliche friedlichere Affenart sind.
Gibt es wohl es dringenderes für die Menschheit zu erforschen als die Faktoren für Friedfertigkeit?
Auch ökonomisch gesehen haben die Bonobos weniger Stress, da sie die Erdfrüchte als Nahrungsquelle für sich entdeckt haben und damit den Kampf um die sichtbaren Früchte an den Bäumen mit den anderen Affenarten weitgehend umgehen können, bzw. nur den stärksten und kämpferischsten ihrer männlichen Rudeltiere überlassen. Könnte das vielleicht als erstes Anzeichen einer Intelligenz gedeutet werden, die in Richtung Ackerbau geht, um sich vom ständigen Kampf mit den Artrivalen um die begrenzten Ressourcen zu befreien? Vielleicht, um sich endlich mal anderen Dingen widmen zu können, wie z.B. dem ‘guten Leben’?
Auch wenn es manchem weit hergeholt erscheint, so hat auch die Beschäftigung mit der Forschung über diesen fernen Verwandten auf diesen hier vorgestellten Gesellschaftsentwurf nicht unerheblich Einfluss gehabt. Selbst wenn dieser Entwurf wie eine fast exotisch primitive Lebensweise vorkommen mag, so sind dessen Anteile in den Tiefen des kollektiven Unbewussten als Erinnerung abgespeichert. Nimmt man mal den Beginn der Jungsteinzeit vor ca. 10.000 Jahren mit dem Übergang zur Ackerbaugesellschaft als Grundlage für eine Berechnung, so hat die primitive Lebensweise nomadisierender Völker mindestens 97 % unseres ca. 300.000 jährigen Daseins als Homo Sapiens ausgemacht.Wenn man von dem hier vorgeschlagenen technologischen Zeitsprung zurück ins ausgehende 18. Jahrhundert ausgeht, dann sind es sogar 99,9 %, wo auf vorindustriellem Niveau gelebt hat. Nimmt man die Einführung der Elektrizität Anfang des 19. Jahrhunderts als Grundlage, endet man bei 99,95% der zeitlichen Existenz des Homo Sapiens unter vorindustriellen Lebensumständen. Die Zeitspanne von der Jungsteinzeit bis heute entspricht im Daseins als Homo Sapiens nicht mehr als was 3 Jahre im Leben eines Hundertjährigen, und das des ‘elektrifizierten’ Menschens ungefähr 6 Monate. Gewiss, Zeit als rein linear und quantitativ zu betrachten anstatt eher zirkulär und qualitativ, ist nicht natürlich unrealistisch und nichts als ‘wissen’schaftliches Narrativ. Das Leben, ob nun auf individueller oder kollektiver Ebene, ist eben keine reine Mathematik. Denn schon ein kurzer aber entscheidender Augenblick kann das ganze Leben für immer verändern. Der ‘kurze Augenblick’ der modernen Zivilisation kann daher in der Existenz des Homo Sapiens von allergrößter Bedeutung sein. Ein kurzer tiefer Blick in die Augen eines anderen Menschen kann ja plötzlich auch alles im Leben verändern. Trotzdem sollte man diesen Faktor der langen linearen Zeit nicht übersehen, und dabei nicht vergessen, was über längere Zeiträume in der Regel mit menschlichen Wesen geschieht, nämlich dass ganz unvermeidlich mit der Zeit feste Bindungen entstehen, auf Gedeih und Verderb. Was man kennt, liebt man“. Die gespeicherten Erinnerungen werden beim erneuten Erleben oft als eine Art Wiedererkennung und in den meisten Fällen mit einer Art Wiedersehensfreude verbunden werden – so jedenfalls die Hypothese. Wer weiß, vielleicht wird man sich eines Tages auch ‘wiedererkennen’ nicht nur in dem genetischen Vorfahren des Schimpansen, sondern auch an dem des Bonobo. Erste Fragezeichen an der Institution der Ehe als Familienmodell wurden schon von der Französichen Revolution gesetzt. Die Hippies der Sechziger nahmen den Faden wieder auf und heute deutet die Zunahme von Patchwork-Familien deutlich darauf hin, dass die klassische ‘Zweierkiste’ ein Auslaufmodell ist. Es ist nur noch die Frage, in welcher Form neue Familiemodelle Gestalt annehmen werden, oder ob sie angesichts einer sich nähernden Brave New World demnächst gänzlich in Auflösung gehen werden.
Nachwort zum Kapitel Quellen der Inspiration
Ob nun besondere Eigenschaften der verschiedenen Kulturarten oder anderer hier genannter Inspirationsquellen, alle haben gemeinsam, Lösungswege aufzuzeigen für das alte Grundproblem, nämlich das Ungleichgewicht zwischen den Polen der männlichen und weiblichen Kräfte. “It’s all about balance. No more, no less“. Es gibt eine Version der Buddha-Geschichte, wonach genau diese Worte die ersten waren, die Buddha unmittelbar nach seiner Erleuchtung antwortete auf die Frage, was er denn gesehen hätte. Verschiene Lösungswege aus dem Erfahrungsschatz der Menschheit sind zwecks besserer Balance versucht worden, in diesen Entwurf zu integrieren, wie man weiter unter sehen kann. Oft sind Ideen leichter zu vermitteln, wenn man sie mit den Inspirationsquellen verknüpfen kann. Das schafft mehr Bezug und macht es bildlicher, wenn es so etwas schon mal gegeben hat. Die wunderbarste und beständigste aller Inspirationsquellen jedoch ist die tägliche Beobachtung von Menschen in der eigenen Umgebung, egal wo und in welchem Zusammenhang. Dabei gilt es ganz einfach zu registrieren, was die Menschen erfreut und deren Herzen öffnet, und was nicht. Das ist die tägliche Feldarbeit eines “Glücksforschers”. Nicht viel mehr, aber auch nicht viel weniger.
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